Psychosoziale Beratung setzt in mentaler Stärkung und durchtragender Seelsorge an

Diese Erfahrung macht auch die kostenlose, ehrenamtliche geführte "Psychosoziale Sprechstunde". Deren Leiter, Dennis Riehle (Konstanz), verzeichnet in den letzten drei Monaten einen Anstieg der Hilfsgesuche um rund 35 Prozent: "Momentan erreichen uns etwa 20 Mails am Tag, in denen Klienten in Lebenskrisen um Unterstützung bitten und oftmals schon über ein halbes Jahr auf einen Platz beim Therapeuten warten. Wir können ihn keinesfalls ersetzen oder ein Pendant sein, aber vielleicht eine Überbrückungshilfe und zusätzliche Begleitung", sagt der Psychologische Berater. Schlussendlich sei es an der Politik, dem Mehrbedarf zu begegnen und die Bedarfsplanung für Kassensitze von Psychotherapeuten und psychiatrisch-psychosomatisch arbeitenden Fachärzten endlich anzupassen, meint Riehle. Er sagt aber auch: "Viele Probleme in unserer Bevölkerung sind hausgemacht. Wir haben in einer Zeit des Wohlstandes und Krisenfreiheit verpasst, seelische Resilienz aufzubauen. Letztlich sind die Anforderungen an den Menschen nicht größer geworden, aber es fällt uns heute schwerer, uns adäquat und schnell genug an sie anzupassen, weil uns Widerstandskraft und Leidensfähigkeit abhandengekommen sind. Und auch der Umstand, dass wir mittlerweile über psychische Probleme offener reden und sensibilisiert sind, führt zu einer steigenden Nachfrage nach einer Therapie".
Nicht zuletzt seien viele Bürger mittlerweile rascher überfordert und entwickelten aufgrund der komplizierten Weltlage diffuse Ängste vor der Zukunft: "Hier braucht es kognitiv-rationale Antworten, die am ehesten in einer Verhaltenstherapie vermittelt werden können".

Riehle hat bislang etwa 7.000 Fälle bearbeitet und war bis zu einer schweren körperlichen Erkrankung selbstständig tätig. Er führt aus: "Aber auch in unserer Mailberatung haben wir ein offenes Ohr dafür, was die Menschen bewegt und wir versuchen dann, mithilfe eines Spiegelns der Besorgnis die abstrakten Nöte durch eine aktivierte Selbstreflexion wieder ins Verhältnis zu rücken. Manchmal genügt es ja bereits weitgehend, dass Fragen und Anliegen niedergeschrieben werden können und durch eine Antwort das Gefühl der Annahme und des ernstgenommen Werdens entsteht", sagt der ausgebildete Coach, der selbst seit 25 Jahren an Zwängen und Depression leidet. "Daneben setzen wir auf eine Neuformulierung von Glaubenssätzen, denn die vielfach gespürte Erschöpfung in unserem Land rührt von übertriebenen Vorstellungen in Blick auf Leistung und menschlichem Funktionieren. Gleichsam ist es das Ansinnen, mit ganz praktischen Alltagstipps Stress zu reduzieren und eine mentale Stärkung herbeizuführen, indem wir die Ratsuchenden durch Information über Wege aus der persönlichen Krise mündig machen, das Leben wieder selbst in die Hand zu nehmen. Klassische Themen sind bei uns der Verlust von Angehörigen und Trauer, Jobverlust und Existenznot, familiäre Streitigkeiten und Probleme am Arbeitsplatz, traumatische Erfahrung und Mobbing, Ausgebranntsein und Sinnsuche", so der 37-jährige Riehle. "Wenn der Verdacht auf ein psychopathologisches Geschehen vorliegen sollte, verweisen wir an Ärzte und Therapeuten. Gleichzeitig geben wir grundsätzliche Auskunft zu allen sozialen Leistungen, damit eine erste Orientierung gegeben ist, welche Unterstützungsmöglichkeiten gegeben sind. Tiefergehende Einzelfallprüfung bleibt aber Rechtsanwälten vorbehalten", ergänzt Riehle - und meint abschließend: "Wenn Menschen den Eindruck gewinnen, dass es Hilfe gibt und aus ihrer lähmenden Haltung der Passivität herausfinden, ist der erste Schritt zur eigenständigen Krisenbewältigung gemacht".

Die Psychosoziale Sprechstunde ist für alle Hilfesuchenden kostenlos und überregional erreichbar unter www.beratung-riehle.de.